Wiener Bauordnungsnovelle 2023

Benedikt Meisl • 1. Dezember 2023

Wiens Bauordnungsnovelle 2023: Nachhaltige Weichen für die Zukunft der
Stadt – Herausforderungen, Chancen und Kontroversen im Überblick

 
Die österreichische Hauptstadt Wien steht vor einschneidenden Veränderungen, die den Stadtraum nachhaltig prägen werden. Die Bauordnungsnovelle 2023 ist nicht nur eine Reaktion auf die aktuellen Herausforderungen des Klimaschutzes, sondern birgt auch tiefgreifende gesellschaftliche Implikationen. Insbesondere nachfolgende Aspekte stehen im Fokus: die Beschränkung der touristischen Kurzzeitvermietung, der verstärkte Schutz von Altbauten, der Photovoltaikausbau sowie die Begrünung und Entsiegelung von Gebäuden und die Reform der Stellplatzverpflichtung.

Kurzzeitvermietung – Zwischen Notwendigkeit und Kontroversen:
Die Wiener Bauordnungsnovelle 2023 greift eine bereits 2021 eingeführte Einschränkung der Kurzzeitvermietung auf und verschärft diese weiter. Das Ziel ist klar: Die Versorgung des Wiener Wohnungsmarktes für die ansässige Bevölkerung soll gesichert werden. Kurzzeitvermietungen werden zwar nicht pauschal untersagt, jedoch bestimmte Widmungskategorien ausgeschlossen. Die Novelle legt eine allgemeine Beschränkung auf 90 Tage pro Kalenderjahr fest, gefolgt von erheblichen Einschränkungen für Vermietungen über diesen Zeitraum hinaus. Die damit verbundene Ausnahmebewilligung wird nur unter strengen Voraussetzungen gewährt, darunter die Zustimmung aller (Mit-)Eigentümer und die Einhaltung von Grenzen für die Nutzungseinheiten. Die Einführung eines Zustimmungserfordernisses der (Mit-)Eigentümer soll sicherstellen, dass Einvernehmen darüber besteht, welche Wohnungen touristisch vermietet werden dürfen.

Gewerbliche Nutzung von Wohnungen – Zwischen Kontrolle und Liberalisierung:
Um Zweckentfremdung von Wohnraum zu verhindern, wird die Gewährung von Ausnahmebewilligungen verschärft. Die bisherige 20%-Grenze für gewerblich genutzte Flächen wird beibehalten, aber die Berechnung schließt nun auch Kellergeschosse ein. Zudem wird die Schaffung von Ersatzwohnraum mit neuen Bedingungen verknüpft, um eine ausreichende Substituierung sicherzustellen. Die Kritik richtet sich besonders gegen mögliche Rechtsunsicherheiten und erhöhte Kosten für Eigentümer.

Altbauschutz – Zwischen Erhalt und Herausforderung:
Die Bauordnungsnovelle 2023 stärkt den Schutz von Altbauten, indem sie finanzielle Aufwendungen bei Vernachlässigung der Erhaltungspflicht außer Acht lässt und neue Transparenzregeln für Abrissvorhaben einführt. Der Einführung eines "Gebäudepickerls" soll mehr Information über den Zustand von Altbauten bieten. Diese Maßnahmen sind jedoch nicht ohne Kritik, da Eigentümer mit zusätzlichen Schwierigkeiten konfrontiert werden, insbesondere im Hinblick auf EU-Taxonomie-Anforderungen und niedrige Mietzinsen.

Nachhaltigkeit und Klimaschutz – Zwischen Pflicht und Anreiz:
Im Zeichen von Nachhaltigkeit und Klimaschutz konzentriert sich die Novelle auf Dekarbonisierung, Photovoltaik, Entsiegelung sowie Fassaden- und Dachbegrünung. Neue Regelungen sollen den Umstieg auf erneuerbare Energiequellen fördern, darunter die bewilligungsfreie Errichtung von Erdwärmesonden und Photovoltaikanlagen. Die Verpflichtung zur Errichtung von Photovoltaikanlagen wird erweitert, aber mit der Möglichkeit zur Schaffung von Ersatzflächen verknüpft. Erleichterungen für Fassaden- und Dachbegrünungen sowie Maßnahmen zur Entsiegelung sollen die ökologische Bilanz verbessern.

Stellplatzverpflichtung – Zwischen Mobilität und Raumplanung:
Die Änderungen im Wiener Garagengesetz zielen darauf ab, das System der einheitlichen Stellplatzverpflichtung durch ein Zonenmodell zu ersetzen. Die Anzahl der zu schaffenden Stellplätze hängt nun von der Erreichbarkeit der Liegenschaft mit öffentlichen Verkehrsmitteln ab. Die Einführung von E-Ladepunkten wird verpflichtend, ebenso wie die Pflanzung von Bäumen im Rahmen der Stellplatzverpflichtung. Die Differenzierung nach Stadtzonen soll unterschiedlichen Bedingungen Rechnung tragen, während die Förderung von Elektromobilität einen Anreiz für den Umstieg auf nachhaltige Verkehrsmittel bietet.

Die Bauordnungsnovelle 2023 für Wien spiegelt den Versuch wider, eine nachhaltige, lebenswerte Stadt zu gestalten, die den aktuellen Herausforderungen gerecht wird. Während die vorgesehenen Änderungen auf positive Effekte für Umwelt und Lebensqualität abzielen, stehen sie gleichzeitig im Spannungsfeld von Eigentumsrechten, wirtschaftlichen Interessen und individueller Freiheit. Die Kontroversen und Diskussionen um die Bauordnungsnovelle werden in den kommenden Monaten sicherlich anhalten, und die Praxisumsetzung wird zeigen, ob die gesetzten Maßnahmen die angestrebten Ziele erreichen können. 

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Nochmals das wichtigste auf einen Blick


Eckpunkte der Gesetzesänderung

  • Kurzzeitvermietungseinschränkung
  • Altbauschutz
  • Photovoltaikausbau
  • Begrünung und Entsiegelung
  • Reform der Stellplatzverpflichtung (Wiener Garagengesetz)


Touristische Kurzzeitvermietung

  • Kurzzeitvermietung bereits 2021 eingeschränkt, weitere Verschärfungen geplant.
  • Bauordnungsnovelle 2023 führt generelle Beschränkung auf 90 Tage pro Jahr ein.
  • Vermietung über 90 Tage ab 01.07.2024 nur mit Ausnahmebewilligung möglich.
  • Kritik an Zustimmungserfordernis der (Mit-)Eigentümer.


Gewerbliche Nutzung von Wohnungen

  • Verschärfung der Ausnahmebewilligungen für gewerbliche Nutzung.
  • Neue Voraussetzungen für Ersatzwohnraum und Gleichwertigkeit.
  • Kritik an Rechtsunsicherheit und Kosten für Gutachten.


Altbauschutz

  • Erhebliche Erweiterung des Altbauschutzes.
  • Strengere Regeln bei Vernachlässigung der Erhaltungspflicht und Wirtschaftlichkeitsprüfung.
  • Transparenz durch behördliche Gutachten, kein Neubau ohne Abrissbewilligung.
  • Einführung des "Gebäudepickerls" für Altbauten.


Nachhaltigkeit und Klimaschutz

  • Fokus auf Dekarbonisierung, Photovoltaik, Entsiegelung, Fassaden- und Dachbegrünung.
  • Einbau von Erdwärmesonden und Photovoltaikanlagen erleichtert.
  • Erleichterungen für Fassaden- und Dachbegrünungen.
  • Definition der "gärtnerischen Ausgestaltung" für Entsiegelung.


Anpassung der Stellplatzverpflichtung

  • Änderungen im Wiener Garagengesetz.
  • Abkehr vom einheitlichen Stellplatzsystem zugunsten eines Zonenmodells.
  • Anreiz zur Reduktion von Stellplätzen durch E-Ladepunkte.
  • Verpflichtung zum E-Ladepunkt bei Neubau und Renovierung.
  • Fahrradabstellplätze für Wohnungen und festgelegte Qualitätskriterien.
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Budgetsanierung 2025/2026 – Wie Österreich 15 Milliarden Euro eins paren will Die österreichische Regierung plant ein umfassendes Sparpaket, um das Defizit zu senken und das Budget zu sanieren. Insgesamt sollen über zwei Jahre rund 15 Milliarden Euro eingespart werden – über Steuererhöhungen, Kürzungen und kreative Verwaltungslösungen. Die wichtigsten Maßnahmen im Überblick: Steuern & Abgaben Kalte Progression : Das dritte Drittel wird nicht mehr abgegolten → +440 Mio. €. Tabak- & Glücksspielsteuer : Steigen deutlich → +516 Mio. € bis 2026. Bankenabgabe & Beitrag der Energiekonzerne : +550 Mio. € jährlich. Bundesgebühren : z. B. Reisepass verteuert sich voraussichtlich auf rund 109 €. Mehr Einnahmen aus Staatsbeteiligungen (z. B. OMV): +1,3 Mrd. € bis 2026.  Neue Steuermaßnahmen im Immobilienbereich Umwidmungszuschlag : Ab 1.7.2025 wird bei der Veräußerung von umgewidmetem Grund (z. B. Grünland → Bauland) ein Zuschlag von 30 % auf den Gewinnanteil eingeführt. → Gilt für Umwidmungen ab 1.1.2025. → Einkünfte werden mit dem tatsächlichen Veräußerungserlös gedeckelt, um Überbesteuerung zu vermeiden. Grunderwerbsteuer bei Umgründungen : Immobiliengesellschaften zahlen künftig 3,5 % vom gemeinen Wert bei Umgründungen (z. B. Verschmelzungen), statt bisher 0,5 % vom Grundstückswert. → Inkrafttreten: 1.7.2025 – Umstrukturierungen sollten bis 30.6.2025 abgeschlossen werden. Verwaltung & Ministerien: Sparen mit Kreativität 1,1 Mrd. € (2025) und 1,3 Mrd. € (2026) sollen Ministerien einsparen. Weniger Dienstreisen, PR, IT-Verschiebungen. Erhöhung von Gebühren (z. B. Gerichtsgebühren). Familienbeihilfe für Ukrainer fällt ab Nov. 2025 weg. Keine automatische Anpassung der Familienleistungen ab 2026. Klimaschutz & Mobilität: Förderungen gestrichen Klimabonus entfällt → spart 4 Mrd. € über zwei Jahre. Klimaticket wird teurer: +200 € in zwei Schritten. Umweltförderungen gestrichen : 1,37 Mrd. € weniger bis 2026. Keine Förderung mehr für E-Autos , wohl aber für Ladeinfrastruktur. Förderprogramm „Raus aus Öl & Gas“ endet – Nachfolger ab 2026 geplant. Kürzungen auch bei Industrietransformation & Gebäudesanierung. Soziales, Pensionen & Gesundheit Frühpension erschwert : vor allem bei langen Versicherungszeiten. Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten steigen : von 5,1 % auf 6 %. E-Card-Gebühr steigt: von 13,80 € auf 25 € pro Jahr. Bildungskarenz bereits abgeschafft. Ältere Arbeitnehmer sollen länger arbeiten → Beschäftigungspaket soll gegenfinanziert sein. Sport, Kultur & Stiftungen Kürzungen bei Sport (–15 Mio. €) und Kultur (–10 Mio. €) . Privatstiftungen : Zuwendungssteuer steigt ab 1.1.2026 von 2,5 % auf 3,5 % . Stiftungsprivileg bleibt erhalten (Übertragung stiller Reserven nach § 13 Abs. 4 KStG). Trotz der massiven Einsparungen wird das Budgetdefizit nur langsam sinken – für das Jahr 2026 rechnet das Finanzministerium weiterhin mit einem Defizit von 4,2 Prozent. Österreich wird daher voraussichtlich bis Ende 2028 unter dem Defizitverfahren der EU-Kommission stehen. Viele der angekündigten Maßnahmen sind derzeit noch nicht gesetzlich umgesetzt oder im Detail geregelt, was eine verlässliche Einschätzung der tatsächlichen Auswirkungen erschwert. Besonders für Haushalte und Unternehmen bleibt unklar, wie stark sie die einzelnen Schritte konkret treffen werden. Auch auf Länderebene werden umfassende Sparpakete notwendig sein, um den Budgetzielen näherzukommen – hier stehen die konkreten Pläne allerdings noch aus. Die nächsten politischen Meilensteine stehen bereits bevor: In der Plenarsitzung des Nationalrats vom 16. bis 18. Juni 2025 sollen die Budgetgesetze beschlossen werden. Die meisten Maßnahmen sollen dann mit 1. Juli 2025 in Kraft treten. Bis dahin bleibt Zeit für politische Diskussionen – und für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger, sich auf Veränderungen einzustellen.
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